Die zulässige Berufung der Klägerin ist auch in der Sache begründet. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Versorgung mit einer Finger-Handprothese aus Silikon entsprechend der ärztlichen Verordnung vom 19. Februar 2013.
Der Anspruch der Klägerin wurde von der Beklagten mit dem angefochtenen Bescheid vom 7. Mai 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. November 2013 zu Unrecht abgelehnt, so dass diese, ebenso wie das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. Dezember 2020, keinen Bestand haben konnten.
Rechtsgrundlage für den Versorgungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten ist hierbei
§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V, wonach Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln haben, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach
§ 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung mit Blick auf die "Erforderlichkeit im Einzelfall" nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse gemäß
§ 12 Abs. 1 SGB V nicht bewilligen. Diese Anspruchsgrundlagen sowie deren konkrete Ausgestaltung durch die hierzu ergangene obergerichtliche Rechtsprechung wurden vom Sozialgericht zutreffend dargelegt und von den Beteiligten auch nicht in Abrede gestellt, so dass insoweit auf die Ausführungen des Sozialgerichts in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen werden kann.
Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts steht es zur Überzeugung des Senats nach Auswertung der vorliegenden Gutachten des MDK, des gerichtlich angehörten Sachverständigen
Prof. Dr. I. sowie der Ausführungen der behandelnden Ärzte des Klägers fest, dass die von der Klägerin beantragte und ärztlich verordnete Versorgung mit einer Finger-Handprothese aus Silikon im Wege des unmittelbaren Behinderungsausgleichs geeignet ist, die Wiederherstellung
bzw. Verbesserung der beeinträchtigten Körperfunktion zu bewirken. Weiterhin ergeben sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme seitens der Beklagten und des Sozialgerichts keine Anhaltspunkte, dass die beeinträchtigten Handfunktionen anderweitig in einer dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechenden Weise ausgeglichen werden könnten.
Von dem Sachverständigen
Prof. Dr. I. sowie den behandelnden Ärzten der Klägerin wurde zutreffend ausgeführt, dass die Funktionsfähigkeit der linken Hand der Klägerin durch die erfolgten Finger-Amputationen ganz erheblich herabgesetzt ist und die begehrte Prothese geeignet ist, diese Funktionsausfälle zumindest teilweise auszugleichen. In dem Gutachten von
Prof. Dr. I. wird für den Senat nachvollziehbar dargelegt, dass bei der Klägerin aufgrund des Teilhandverlustes die Unmöglichkeit einer normalen Greiffunktion mit der linken Hand besteht, da ein Faustschluss und ein Haltegriff auf Grund der verkürzten und fehlenden Finger nicht möglich sind. Auch könnten der Kraftgriff sowie der Fein-, Spitz- und Schlüsselgriff mit der linken Hand nicht durchgeführt werden. Zum Ausgleich dieser Behinderungen seien neben aufwändigen operativen Verfahren (
z.B. durch Transplantation einer Großzehe an die linke Hand) nur der Ersatz der Handfunktion mittels einer partiellen oder kompletten Teilhandprothese möglich. Neben einer ästhetischen Verbesserung könne hierdurch eine passive funktionelle Verbesserung der Greiffunktionen der fehlgebildeten Hand herbeigeführt werden. Diesbezüglich komme es zu einer Verbesserung des Widerhaltes beim Greifen, indem der Kraftgriff und der Präzisionsgriff zwar nicht aktiv, jedoch durch eine Verbesserung des Gegenhaltes vor allem passiv durch die Teilhandprothese verbessert werden könne. Durch die Elastizität des Silikons sei das Greifen größerer Gegenstände möglich, soweit diese nicht allzu schwer seien. Auch der Pinzetten- und Zangengriff sowie der Dreipunktegriff und der Schlüsselgriff könnten mittels der Hilfestellung durch die intakte rechte Hand, mit der aus hochelastischem Silikon gefertigten Teilhandprothese zumindest näherungsweise simuliert werden. Weiterhin sei damit zu rechnen, dass die angestrebte Verbesserung für die Arbeiten an Computertastaturen, mit Computer-Mouse, Trackball und berührungsempfindlichen Bildschirmen durch die Teilhand-Prothesenversorgung erheblich verbessert werde. Auch sollte das Halten von Handys und Telefonen mit der Teilhandprothese möglich sein, so dass ein Schreiben mit der rechten Hand
bzw. ein Eintippen von Daten an der Computertastatur erleichtert werde. Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass für das Halten des Lenkrades beim Autofahren die rechte Hand für die Betätigung von Armaturenbrettknöpfen freigeben könne, ohne dass es hier durch fehlende Steuerbarkeit des Lenkrads mit der linken Hand zu einer gefährlichen Verkehrssituation komme. Schließlich sei auch das Gegenhalten bei den Arbeiten in der Küche (Schälen von Obst und Gemüse) durch die Versorgung mit der Teilhandprothese sicher gewährleistet und stelle hierdurch eine einem gesunden Menschen möglichst weitgehend entsprechende Greif-, Halte- und Führungsfunktion der linken Hand dar.
Diese Einschätzung wird insbesondere durch
Prof. Dr. K. vom Universitätsklinikum Frankfurt am Main bestätigt, wonach die Silikon-Finger-Hand-Prothese bei einem Teilverlust der Finger im alltäglichen Bewegen wichtige Funktionen ersetzen könne und die Greifmöglichkeiten der betroffenen Hand erweitere. Die Fertigung aus Silikon impliziere eine individuelle Anpassung, um insbesondere auf empfindliche Stellen Rücksicht zu nehmen und damit Anpassungsstörungen zu beseitigen. Dies spiegele sich in einer optimalen Greiffunktion wider.
Das Ergebnis des Gutachtens von
Prof. Dr. I. steht auch mit den Ausführungen der vom Senat im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 23. September 2021 persönlich angehörten Klägerin und der von ihr hierbei demonstrierten Beweglichkeit der Fingergrundgelenke in allen Fingern der linken Hand in Einklang. Für den Senat bestehen nach der Inaugenscheinnahme der Beweglichkeit der noch verbliebenen Fingerglieder abweichend von der Auffassung des Sozialgerichts keine Zweifel, dass die mit der beantragten Prothesenversorgung herbeizuführende Verlängerung der Finger
bzw. des Daumens zu der von
Prof. Dr. I. beschriebenen erheblichen Verbesserung der wesentlichen Greiffunktion der Hand führen wird.
Die zu einem anderen Ergebnis kommenden Gutachten des MDK vom 30. April 2013 und 24. Juli 2013 vermögen demgegenüber nicht zu überzeugen. Beide Gutachten sind lediglich nach Aktenlage, ohne körperliche Untersuchung der Klägerin erstellt worden, wobei in dem Gutachten vom 30. April 2013 im Wesentlichen die vorliegenden Fotografien der betroffenen Hand der Klägerin ausgewertet wurden. In dem Gutachten vom 24. Juli 2013 wurden darüber hinaus lediglich noch die von der Klägerin mit dem Widerspruch vorgelegten Atteste Ihrer behandelnden Ärzte ausgewertet. Weitere Befundberichte mit dezidierten Einzelheiten zu den funktionalen Verhältnissen im Bereich der linken Hand der Klägerin wurden vom MDK hingegen nicht beigezogen. Bereits aus diesem Grund ist dem Gutachten des MDK ein geringerer Beweiswert als dem Gutachten von
Prof. Dr. I. sowie den im erstinstanzlichen Verfahren vom Sozialgericht eingeholten Auskünften der behandelnden Ärzte der Klägerin beizumessen. Soweit in den Gutachten des MDK davon ausgegangen wird, dass die Klägerin aufgrund der seit Geburt an bestehenden Fehlbildung als gut adaptiert anzusehen sei, verkennt der MDK offensichtlich, dass die (Teil-) Amputationen der Finger
bzw. des Daumens erst später erfolgt sind und die letzte Operation am linken Ringfinger erst im Januar 2013 durchgeführt worden ist. Soweit vom MDK – und mit ähnlicher Begründung auch seitens des Sozialgerichts -die Ansicht vertreten wird, dass durch die Versorgung mit der beantragten Prothese keine Funktionsverbesserung im Hinblick auf das Greifen zu erwarten sei, da die fehlende Sensibilität der Prothese als störend empfunden werde und diese eine Beweglichkeit im Gelenk nicht zulasse, steht dies mit der Einschätzung des Sachverständigen
Prof. Dr. I. sowie der behandelnden Ärztin in Widerspruch und lässt sich auch nicht mit den Angaben des Herstellers zur Funktionsfähigkeit der Prothese in Einklang bringen. Aufgrund der erhaltenen Beweglichkeit der noch vorhandenen Daumen-
bzw. Finger-Stümpfe im handnahen Gelenk bewirkt deren Verlängerung durch die Prothese ein Gegenhalten und Umschließen von Gegenständen und damit eine weitgehende Angleichung an die Greiffähigkeit einer gesunden Hand. In den Gutachten des MDK wird schließlich nicht dargelegt, inwiefern die Behinderung der Klägerin in anderer Weise mit gegebenenfalls wirtschaftlicheren Hilfsmitteln ausgeglichen werden könnte. Da sich hierzu auch aus den Ausführungen von
Prof. Dr. I. sowie den behandelnden Ärzten keine Anhaltspunkte ergeben, vermag der Senat in der beantragten Versorgung auch keinen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot zu erkennen.
Die Fallkonstellation des vorliegenden Verfahrens ist mit der des Verfahrens
L 8 KR 6/13 nicht vergleichbar, so dass weder das zu diesem Aktenzeichen ergangene Urteil des Senats vom 24. Januar 2014 noch die nachfolgende Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 30. September 2015 (
B 3 KR 14/14 R) hierauf übertragbar sind. In dem betreffenden Verfahren ging es um die Versorgung der Klägerin mit einer Silikon-Fingerprothese aufgrund des Verlustes des Endgliedes des Zeigefingers der rechten Hand. Diesbezüglich sind sowohl der Senat als auch das Bundessozialgericht in den vorgenannten Entscheidungen davon ausgegangen, dass das Fehlen des Endgliedes des Zeigefingers an einer Hand eine allenfalls ganz geringe Funktionsbeeinträchtigung der Greif- und Haltefunktion der Hand zur Folge hat und nach dem Versorgungsrecht nicht mit einem relevanten Grad der Behinderung zu bewerten ist. In dem von der Beklagten mehrfach zitierten Verfahren scheiterte der Versorgungsanspruch folglich bereits daran, dass keine relevante Behinderung vorlag, die eines Ausgleichs durch die beantragte Prothese bedurft hätte. Die Situation der Klägerin im vorliegenden Verfahren kann hiermit nicht gleichgestellt werden, da bei dieser an der linken Hand lediglich ein Finger vollständig funktionsfähig erhalten ist. Dies führt im Ergebnis zu einem vollständigen Ausfall der Greiffunktion der linken Hand und wurde bei der Klägerin seitens des Versorgungsamtes auch zu Recht mit einem Grad der Behinderung von 50 und folglich der Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft bewertet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160
Abs. 2
SGG liegen nicht vor.